«Wir setzen gute Ideen um»
Veröffentlicht am: 18.11.2021
Lesedauer
ca. 5 Minuten
Seit zwei Jahren leitet Andrea Grisard den SQS-Vorstand. Wie sie als Präsidentin die Zertifizierungsstelle in der Corona-Krise erlebt, weshalb sie sich persönlich für ein umfassendes Qualitätsverständnis einsetzt und wo sie die künftigen Chancen für die SQS sieht, sagt die Basler Unternehmerin im Gespräch.
Bei der SQS dreht sich alles um Qualität. Wie wichtig ist Dir diese als Unternehmerin?
Andrea Grisard: Für mich ist es ein entscheidender Aspekt. Am Sitz der Basler Logistikerin Ultra-Brag, deren Verwaltungsratspräsidentin ich bin, hängen deshalb unsere Qualitätsmanagement-Zertifikate für jedermann gut sichtbar im Treppenhaus. Auf das Erreichte sind wir stolz. Wir ruhen uns aber nicht auf den Lorbeeren aus, sondern wollen uns immer weiterentwickeln. Erst kürzlich haben wir unsere ganze logistische Kühlkette zertifizieren lassen. Solche Qualitätsinitiativen nehmen wir proaktiv in Angriff und unsere Kundinnen und Kunden honorieren das.
Hat sich der Qualitätsbegriff für Dich jüngst verändert?
Mein Vorgänger im SQS-Vorstandspräsidium hat einmal gesagt, dass die Nachhaltigkeit die neue Qualität sei. Für mich ist eine nachhaltige Entwicklung heute schlicht und einfach ein untrennbarer Teil der unternehmerischen Qualität. Als Gesellschaft gilt es insbesondere, den Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft gemeinsam zu gehen.
Wann bist Du zum ersten Mal mit der Welt der Qualitätsmanagementsysteme in Berührung gekommen?
Lustigerweise schon sehr früh in meinem Berufsleben. Zwischen Matura und Studium durfte ich als Praktikantin das Qualitätsmanagement in einem Unternehmen mitaufbauen, lernte damals die Norm ISO 9001 von Grund auf kennen. Als ich dann aber bei der SQS in den Vorstand gewählt wurde, war für mich trotzdem vieles wieder neu. In den vergangenen 25 Jahren hatte sich das Qualitätsmanagement stark weiterentwickelt. Und genau das finde ich bei der SQS so spannend: Es genügt nicht, einfach à jour zu bleiben. Wir müssen den relevanten Entwicklungen immer einen Schritt voraus sein – und dies spartenübergreifend. Schliesslich auditieren wir vom Industriebetrieb bis zum Dienstleistungsunternehmen sehr unterschiedliche Kundinnen und Kunden.
Seit 2017 engagierst Du Dich im SQS-Vorstand, seit 2019 als Präsidentin. Weshalb?
Zu meinem Job kam ich eigentlich wie die Jungfrau zum Kind … (lacht) Ein designiertes Vorstandsmitglied hat mich dafür empfohlen, worauf mich der damalige langjährige Vorstandspräsident Xaver Edelmann in Basel besucht und überzeugt hat. Mit dem umfassenden Qualitätsverständnis, das heute in allen Branchen so entscheidend ist, kann ich mich persönlich voll und ganz identifizieren.
Der neue SQS-Vorstand ist jünger und weiblicher. Wie erlebst Du diesen?
Ich empfinde das Zusammenspiel bei uns im Vorstand als sehr positiv. Als Präsidentin ermuntere ich alle, sich aktiv einzubringen. Wir pflegen einen guten Austausch, führen fruchtbare Diskussionen und setzen gute Ideen auch tatsächlich um. Unser Gremium lebt, die Arbeit macht Spass! Gerade die Altersdurchmischung ist dafür mitentscheidend. Während die jüngere Generation neue Sichtweisen einbringt, profitieren wir immer wieder von der Erfahrung der langjährigen Vorstandsmitglieder. Wir sehen uns oft, da wir auch in thematischen Ausschüssen zusammenarbeiten. In diesen Gruppen kümmern wir uns etwa um politische oder finanzielle Fragen.
Und wie stellt ihr den engen Kontakt zur Geschäftsleitung sicher?
Unser CEO Felix Müller sitzt gleichzeitig auch im Vorstand. Selbstverständlich tauschen wir uns regelmässig über offene Fragen aus. Er ist das wichtige Bindeglied zwischen Vorstand und Geschäftsleitung, die konstruktive Zusammenarbeit mit ihm schätze ich sehr. Felix will mit der SQS weiterkommen – und schafft dies auch.
Weshalb dominieren bei den Auditierenden die erfahrenen Mitarbeitenden?
Diese Tendenz hat ihre sachlichen Gründe. Für uns ist die Lebens- und Berufserfahrung der Auditierenden ein entscheidender Faktor. Dank ihrem gut gefüllten Rucksack geniessen sie im Kundenkontakt eine hohe Glaubwürdigkeit. Bei der SQS erhalten sie die Chance, ihrer Berufskarriere nochmals eine neue Richtung zu geben und handfeste Mehrwerte in vielen verschiedenen Organisationen zu schaffen.
Wie gelingt es der SQS, auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeitende zu rekrutieren und zu halten?
Indem wir eine attraktive Arbeitgeberin sind. Wir wollen bei der SQS für alle Mitarbeitenden ein motivierendes Arbeitsumfeld schaffen. Gerade in die Ausbildung unserer Auditierenden investieren wir sehr viel. Entsprechend gross ist unser Interesse, dass sie möglichst lange für uns tätig sind.
Deine bisherige SQS-Zeit ist vor allem von der Corona-Krise geprägt.
Tatsächlich ist es für uns alle keine einfache Zeit. Doch jeder einzelne SQS-Mitarbeitende leistet in dieser ausserordentlichen Situation enorm viel! Und dafür danke ich allen ganz herzlich. Besonders stolz bin ich darauf, wie schnell wir uns als SQS auf die komplett geänderten Rahmenbedingungen eingestellt haben. Geschäftsleitung und Vorstand haben sich insbesondere mit Erfolg dafür eingesetzt, dass der Regulator letztlich Fernaudits akzeptierte. Das war für uns sehr wichtig, da wir viele unserer Kundinnen und Kunden von einem Tag auf den anderen nicht mehr besuchen konnten.
Die wichtigste strategische Entscheidung war 2021 die Gründung einer SQS-Tochterfirma in Deutschland. Wie kam es dazu?
Im Nachgang zum gescheiterten Rahmenabkommen mit der EU sind wir gezwungen gewesen, rasch zu handeln. Nur so können wir denjenigen Kundinnen und Kunden, die unter den neuen technischen Handelshemmnissen leiden, mittelfristig wieder eine Perspektive für den europäischen Markt bieten. Aktuell sind dies vor allem kleinere Hersteller von Medizinprodukten und Start-ups. Zum Glück ist die SQS agil, eine Organisation mit kurzen Entscheidungswegen. Und wir sind auch bereit, zu entscheiden. Denn ohne Mut kommen wir keinen Schritt vorwärts! Ich bin aber überzeugt, dass es unter den gegebenen Umständen der einzig richtige Entscheid war. Die Mühlen der Politik dürften langsam mahlen.
Seit letztem Jahr verfügt die SQS zudem über einen Verantwortlichen für das Business Development. Weshalb?
Bereits in meiner ersten Strategiesitzung bei der SQS habe ich die Bedeutung neuer Geschäftsfelder betont. Unser Ziel im Business Development ist es, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und für die SQS neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Dabei wollen wir uns mit alternativen Bewertungsmodellen breiter aufstellen, um weniger von den ISO-Hauptnormen abhängig zu sein. Diese fungieren aber weiterhin als wichtigstes Standbein der SQS und werden auch in der Zukunft nicht an Bedeutung verlieren.
Gibt es schon erste Erfolge?
Von unserer neuen Kreislaufwirtschafts-Initiative Circular Globe erhoffe ich mir viel. Sie ergänzt die Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen nach ISO 14001 um einen ganz wichtigen Aspekt. Es braucht neue zirkuläre Geschäftsmodelle, davon bin ich persönlich überzeugt. Als Unternehmerin ist dies für mich eine wichtige strategische Stossrichtung. Schliesslich wollen wir noch über Generationen nachhaltig wirtschaften.
Wird die SQS in der Öffentlichkeit entsprechend innovativ wahrgenommen?
An unserer Aussenwirkung können wir noch arbeiten und sind auch ständig daran, den Bekanntheitsgrad zu stärken. Denn wer uns kennt, bewertet uns positiv, keine Frage. Schliesslich schaffen unsere Auditierenden bei den Kundinnen und Kunden durch ihre unabhängige Aussensicht einen echten Mehrwert. Ich muss aber häufig erklären, was wir als SQS machen. Wenn ich den Link zu den ISO-Zertifizierungen herstelle, kommt oft das grosse Aha-Erlebnis … Es gilt noch viel mehr Leuten zu vermitteln, wie wir Qualität verstehen und mit unseren Dienstleistungen und Produkten fördern. Das geht nicht von heute auf morgen, aber daran arbeiten wir.
2023 kann die SQS ihr 40-jähriges Bestehen feiern. Wie siehst Du unsere Zukunft als unabhängige Zertifizierungsstelle?
Das Thema Qualität wird für alle Organisationen zentral bleiben und nie an Bedeutung verlieren. Das Feilen am unternehmerischen Qualitätsbewusstsein ist eine Daueraufgabe. Dennoch müssen wir uns als SQS weiterentwickeln, also etwa neue Bewertungsmodelle anbieten, ohne unsere gefragten bestehenden Produkte und Dienstleistungen zu vernachlässigen. So wird es gelingen, unseren Kundenstamm nicht nur zu halten, sondern gar auszubauen.
Werden wir zum Schluss noch etwas persönlich. Wie bringst Du Familie, Beruf und gesellschaftliches Engagement unter einen Hut?
Ohne Organisation geht gar nichts … (lacht) Aber natürlich unterstützt mich auch mein Partner tatkräftig in vielen Bereichen. Es funktioniert nur, weil wir ein so eingespieltes Team sind. Wenn wir beide gleichzeitig geschäftlich unterwegs sind, wissen wir unsere zwei kleinen Kinder professionell fremdbetreut. So ist es mir auch möglich, mich unter anderem als Stiftungsrätin für das Basler Kunstmuseum einzusetzen.
Weshalb ist Dir dies ein grosses Anliegen?
Ich bin stolz darauf, dass wir bei uns in Basel die älteste öffentliche Kunstsammlung der Welt beherbergen dürfen und das Kunstmuseum zu den fünf wichtigsten Sammlungen der Welt gehört. Es ist in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, dass das Kunstmuseum in einer Liga mit dem MoMA, dem Louvre oder der Tate Gallery spielt. Überhaupt passiert bei uns in Basel auf kleiner Fläche kulturell enorm viel. Gerne engagiere ich mich dafür, dass dies so bleibt!
Zur Person
Andrea Grisard präsidiert seit 2019 den SQS-Vorstand, dem sie seit 2017 angehört. Die studierte Juristin ist hauptberuflich als Unternehmerin tätig, insbesondere als Verwaltungsratspräsidentin der Basler Logistikfirma Ultra-Brag. Daneben engagiert sich die zweifache Mutter aber auch sozial und kulturell unter anderem als Stiftungsrätin des Kunstmuseums Basel.
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