Warum Verbesserungsprozesse scheitern und wie Sie wieder die Kurve kriegen
Veröffentlicht am: 08.02.2022
Lesedauer
ca. 8 Minuten
Es ist unbedingt notwendig, dass Verbesserungsprozessen in Organisationen eine zentrale Rolle zugeteilt wird. Durch die definierten Massnahmen zu deren Umsetzung bewegen sich Unternehmen auf Erfolgskurs. Vertiefen Sie sich in den Bericht unserer Kollegin Susan Omondi und fördern Sie Ihre Kompetenzen zu Verbesserung mit System.
Als Auditorin ist es mir ein Anliegen, dass die Prozesse, die einen Betrieb aufrechterhalten, nicht nur die Norm erfüllen, sondern vor allem den Betrieb weiterbringen. Die Praxis zeigt jedoch, dass Verbesserungsprozesse oft ziellos oder isoliert gestartet werden.
Mit diesem Artikel werden Sie die Grundursachen des Scheiterns sowie deren Folgen verstehen. Ich zeige Ihnen drei Wege auf, um Ihre Verbesserungsprozesse systematisch erfolgreich zu gestalten.
Susan Omondi
Leitende Auditorin und
Seminarverantwortliche
Können Sie Eberhard und seine Situation verstehen?
Neulich tauschte sich Eberhard in der Pause intensiv mit mir aus. Er sagte mir: «Frau Omondi, Ihre Fragen sind scharfsinnig und bestätigen meine Vorgehensweise. Leider sehen das die meisten der Mitarbeitenden hier nicht so, sodass meine Anstrengungen und die vorgeschlagenen Lösungsansätze meistens erfolglos bleiben.»
Zuhören ist für uns Auditierende ein wichtiges Anliegen. Ich stelle immer wieder fest, dass es vielen Qualitätsmanagern ähnlich geht wie Eberhard.
Eberhard hat den festen Wunsch, die Geschäftsleitung und die Mitarbeitenden zu überzeugen, die definierten Massnahmen zu Verbesserungen systematisch einzuführen und beispielsweise in Bezug auf Kunden oder Lieferanten zeitnah umzusetzen.
Die momentane Situation von Eberhard zeigt auf, dass er innerhalb seines Tätigkeitsgebietes nur Massnahmen bewirtschaftet. Die Liste in seiner Excel-Datei ist deshalb sehr lang. Auf der Spalte «Umgesetzt» sind fast alle Zellen noch rot. Fristen werden nicht eingehalten…
Wie Sie wissen, erzeugen solche Zustände Frustrationen.
Viele Qualitätsmanager, die in ähnlicher Situation wie Eberhard sind, sagen deshalb:
Wenn die Geschäftsleitung nur das Ganze mittragen würde...
Wenn nur nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen würde...
Wenn Auditierende diese Themen doch mit der Geschäftsleitung besprechen würden...
Ich dachte sehr lange darüber nach und fragte mich, warum so viele Verbesserungs-Vorhaben
oder -Projekte scheitern? Die Grundursachen zu verstehen, ist der erste Schritt, hier Klarheit zu schaffen.
Warum scheitern die meisten Verbesserungsprozesse?
Aus meiner Sicht gibt es drei Hauptursachen – wenn wir Eberhards Erzählungen nochmals durchlaufen:
- Fehlende Verbesserungs-Strategie und fehlende Sinnhaftigkeit
Die meisten Unternehmen wissen nicht, was sie mit ihren Verbesserungsprozessen oder -Massnahmen am Ende erreichen möchten.
Noch wissen sie nicht, inwieweit Verbesserungs-Massnahmen zur Unternehmensstrategie beitragen.
Und selbst wenn die Strategie klar ist, ist sie nicht allen bewusst.
Hierbei kann es sich um eine Gesamtstrategie oder auch um eine Teilstrategie handeln.
Quellen der Verbesserungen gibt es genügend: aus den Reklamationen, aus internen Meldungen, aus Change-Projekten, aus Projekt- und Management-Reviews etc.
Wenn die Sinnhaftigkeit geklärt ist, dann tragen alle dazu bei, indem sie u.a. Verbesserungen selbst initiieren oder in dem sie sich um Massnahmen kümmern und dadurch bezahlte Kundenprojekte verbessern.
- Fehlende Prozessorientierung
Das Silodenken wird immer wieder thematisiert. Mit der Einführung der Prozessorientierung in den Qualitätsnormen haben wir aufgeatmet und gedacht, damit ist es erledigt. Wenn wir ehrlich sind, die meisten fahren parallel. Prozessorientierung funktioniert zwar immer besser, aber es hat noch Potenzial.
Als Beispiel werden Kundenumfragen und interne Meldungen unterschiedlich gehandhabt – obwohl diese vom Prozess her gleich sind. Um ganz auf oberstem Level zu bleiben: von Erfassen, Bewerten, Massnahmen definieren, bis hin zur Wirksamkeitsprüfung und zum Reporting. Die Zielgruppe oder die Tools sind vielleicht unterschiedlich, aber meistens reden Verkäufer nicht mit Qualitätsmanagern und diese arbeiten nicht mit IT-Mitarbeitenden zusammen, um einen gemeinsamen Weg zu finden.
Jeder kocht sein Süppchen, jeder berichtet an die Geschäftsleitung. Diese fühlt sich wiederum überfordert und kommt zum Schluss, dass QM nichts bringt. Kein Wunder.
Dabei ist es ganz einfach, Verbesserungen systematisch einzuführen und die Kreise zu schliessen. So gewinnen Sie wieder Energie, um die Wirksamkeit zu prüfen.
- Die Auswahl von Tools und Applikationen zur Unterstützung
Jeder spricht von Digitalisierung. Die wenigsten haben eine Digitalisierungsstrategie. Jeder spricht von Tools zur Verbesserung, die wenigsten haben wirklich ihre Anforderungen für die ganze Firma klar formuliert. Die wenigsten haben Test-Cases definiert. Dazu kommt, dass Mitarbeitende, die ebendiese Tools nutzen sollen, nicht in den Prozess eingebunden worden sind.
Häufig wird die Vorarbeit betreffend die Einführung von Tools unterschätzt. So werden eine oder mehrere Applikationen in Betrieben eingeführt, um nur Monate später zu realisieren, dass Verbesserungen nicht funktionieren, weil die Tools nicht ausreichend oder nicht anwenderfreundlich sind.
Es ist eine Illusion, dass Tools Wunder schaffen. Eberhard ist überzeugt von seiner Excel-Datei. Auch Excel ist fähig, prozessorientiert und mit einem Cockpit, Mehrwert zu liefern. Wichtig ist hier zu verstehen, dass die richtigen Prozesse digitalisiert werden. Fragen Sie sich deshalb, wann haben Sie Ihren Verbesserungsprozess zuletzt hinterfragt und überarbeitet, unabhängig vom Tool?
Dies sind sicher nicht die einzigen Ursachen. Je nach Kontext gibt es signifikantere oder andere Motive. Welche Grundursache trifft auf Ihr Unternehmen zu?
Welche Folgen hat es, wenn Sie die festgestellten Ursachen nicht ansprechen?
Bevor ich Ihnen die Antworten liefere, wie es uns gelingt, Verbesserungsprozesse wirksam einzuführen, ist es wichtig zu verstehen, welche Folgen diese Ursachen auf das Unternehmen haben könnten. Wenn Eberhard seinen Vorgesetzten überzeugen möchte, hat er nun Argumente, warum hier ein Umdenken gefragt ist.
Folge 1: Versteckte Kosten
Geld versteht jeder. So dachte ich mindestens. Allerdings nur das, was in der Bilanz ersichtlich ist. Versteckte Kosten sind für Entscheidungsträger nicht greifbar, weil sie, wie der Name sagt, meist nicht oder kaum erfasst sind. Was kosten uns Verschwendungen? Was kosten uns Leerläufe? Insbesondere in administrativen Bereichen wird dies nicht oft hinterfragt. Was kostet uns ein neues Tool, wenn wir es nicht nutzen können? Wenn Sie auch nur kurz überschlagen, werden Sie erkennen, dass hier Handlungsbedarf ist.
Folge 2: Frustration
Nicht nur Eberhard ist hier frustriert.
Auch sein Vorgesetzter und sein Team. «Dann lasst uns das schnell machen, Hauptsache der Auditor ist zufrieden» − hört er oft, wenn er einen Vorschlag einbringt. Solche Antworten bringen Eberhard auf 180, aber er muss sich beherrschen.
Was machen auf Dauer frustrierte Mitarbeitende? Die Antwort kennen Sie bestimmt.
Folge 3: Sie verpassen die Chance, sich auf das Wesentliche und auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren
Jede Tätigkeit muss einen Beitrag zur Unternehmensstrategie leisten.
Wenn Ihre Verbesserungs-Massnahmen nicht zur Unternehmensstrategie beitragen, dann leidet Ihre Wettbewerbsfähigkeit darunter. So einfach ist das.
Wie gelingt es uns nun, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen?
Die Ursachen zu verstehen und deren Folgen, ist eine gesunde Basis hier weiterzukommen.
Wie kriegen wir nun wieder die Kurve? Diese drei Wege bringen Eberhard und Ihnen etwas Licht ins Dunkel.
- Entwickeln Sie gemeinsam im Team eine Verbesserungs- oder eine QM-Strategie
Wie Sie es nennen, ist zweitrangig.
Eine Strategie klingt für viele zu gross. Machen Sie es sich deshalb einfach. Hier beantworten Sie einfach Kernfragen, die immer in Verbesserungsprojekten oder -prozessen helfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Dazu müssen Sie natürlich zuerst erkennen, wo Sie stehen und wohin Sie mit Ihrem Unternehmen wollen, sodass jede Aktivität und Verbesserungs-Massnahme Sie weiterbringt.
- Führen Sie einen systematischen Verbesserungsprozess
Denken Sie zunächst ganzheitlich: ob sprunghaft oder kontinuierlich, ob aus internen oder externen Quellen, ob mit Projekten oder mit kleinen Massnahmen – Prozessorientierung ist entscheidend für den Erfolg.
Prozessorientiert heisst, dass parallele Systeme abgeschafft werden und dass Massnahmen konsequent einem Verantwortlichen zugeteilt sind sowie deren Wirksamkeit, je nach definierten Kriterien, überprüft wird.
Mittels Plan-Do-Check-Act (PDCA) hinterfragen Sie immer wieder Ihren Verbesserungsprozess. Zum Schluss thematisieren Sie die wichtigsten Kennzahlen und Erkenntnisse im Rahmen der Managementbewertung. Reporting schafft hier Verbindlichkeit und mehr Klarheit: nicht nur an das Management. Immer wieder darüber berichten, z.B. im Intranet, schafft eine gesunde Basis, um gemeinsam Erfolge aus den Verbesserungen zu feiern.
- Führen Sie nur digitale Tools ein, die Sie bereits erfolgreich für Ihren Zweck getestet haben
Die Vorstellungen von Tools und Applikationen durch die Provider oder Demos im Internet sehen immer attraktiv und fertig aus. Genau hier liegt das Problem. Viele denken, wenn wir dann das System haben, wird alles besser.
«Ein System kommt nicht mit Ihren Daten und Arbeitsweisen» − sagte mal ein Business Software-Experte. Ich leitete zu dieser Zeit ein anspruchsvolles ERP-Projekt und erzählte ihm von den Annahmen von Anwendern, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Die Annahme, dass das System «uns» kennt, haben viele, wenn es darum geht, Tools zur Effizienz einzuführen.
Eine teure und frustrierende Angelegenheit für alle Beteiligten.
Für Verbesserungsprozesse − wie in vielen Prozessen gilt für mich: Effektivität vor Effizienz. Nur die richtigen Prozesse können wir besser und schneller durch Applikationen gestalten.
Führen Sie also nur digitale Tools ein, bei denen ein «Proof of Concept» vorliegt. Das heisst, wenn Sie diese für Ihren Zweck erfolgreich getestet haben.
Ist es zu spät für diese drei Wege?
Ganz und gar nicht.
Es bieten sich immer Möglichkeiten, damit zu starten: etwa bei Übernahme von neuen QM-Aufgaben, bei Digitalisierungsprojekten, bei neuen Prozessen oder Standorten etc. Oder einfach, weil Sie sagen «Genug ist genug»!
Wo starte ich nun?
Mit der Situationsanalyse. Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie einen Schritt zurück und fragen Sie sich ganz ehrlich − gerne auch im Team: wo stehen wir und wo möchten wir hin?
Sie sind nicht allein, das ist vielleicht beruhigend. Wenn Sie Klarheit für sich geschaffen haben, sprechen Sie mit Ihren Vorgesetzten. Zeigen Sie auf, welche Vorteile Ihre neu entwickelte Vorgehensweise für das Unternehmen hat.
Gerne können Sie auch unsere Schulung «Verbesserung mit System» besuchen. Zum Seminar bringen Teilnehmende aktuelle Herausforderungen und Projekte mit, die wir mit der «Schwarmintelligenz» gemeinsam lösen. Sie erweitern dadurch Ihr Netzwerk und können nach dem Kurs noch voneinander profitieren.
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