Umweltanforderungen, SQS-Wissen

«Omnibus bringt Rechtsunsicherheit für Unternehmen»

Janina.Aeberhard@sqs.ch

Janina Aeberhard

Veröffentlicht am: 18.03.2025

Lesedauer

ca. 4 Minuten

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit will die EU-Kommission Regulierungsauflagen für Unternehmen reduzieren und vereinfachen. Mit dem ersten Omnibus-Paket vom Februar 2025 wird eine erhebliche Vereinfachung der CSRD angestrebt. Der Polit-Ökonom Niclas Meyer schätzt im Interview mit der SQS die Auswirkungen insbesondere für Schweizer Unternehmen ein.

Interview: Janina Aeberhard

Am 26. Februar hat die EU-Kommission ein sogenanntes Omnibus-Paket vorgelegt, um verschiedene Nachhaltigkeitsregulierungen zu vereinfachen. Auch für die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) wurden Änderungen vorgeschlagen. Wie schätzen Sie diese ein?

Eine Einschränkung und Vereinfachung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erachte ich als wichtig und richtig, aber ich bin skeptisch, ob die vorgeschlagenen Änderungen in die richtige Richtung gehen. Meiner Meinung nach wurde der Omnibus rein aus einer politischen Stimmung heraus angegangen und nicht evidenzbasiert. Die erste Runde Berichterstattung gemäss CSRD liegt vor. Man hätte sich zunächst anschauen sollen, was die Kosten und Nutzen dieser Regelung tatsächlich sind und darauf basierend dann allenfalls Änderungen vorschlagen sollen. Nun hat man für die Unternehmen eine grosse Rechtsunsicherheit geschaffen.

 

Was meinen Sie damit?

Bis klar ist, ob der Omnibus durchkommt oder nicht, wird es sicher Herbst sein. Dann werden viele Unternehmen für die Berichterstattung Personal eingestellt, IT-Systeme beschafft und Verträge mit Beratungs- und Revisionsgesellschaften abgeschlossen haben. Möglicherweise stellt sich dann aber heraus, dass diejenigen, die eigentlich nächstes Jahr ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD veröffentlichen müssten, erst zwei Jahre später oder gar nicht berichten müssen.

 

Welche Auswirkungen sehen Sie für Schweizer Unternehmen?

Mit dem Omnibus soll zunächst der Geltungsbereich der CSRD eingeschränkt werden. Das verkleinert zwar die Gruppe der Direktbetroffenen, doch gehören ohnehin nur sehr wenige Schweizer Unternehmen zu diesen. Wir schätzen, dass bereits vor der Einführung der CSRD und der CSDDD [der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen punkto Nachhaltigkeit, Anm. d. Red.] rund 10‘000 Schweizer Unternehmen von ihren B2B-Kunden und Investoren aufgefordert worden sind, über ihre Nachhaltigkeit und Sorgfaltsprüfungen zu berichten. Auch mit dem Omnibus wird die Zahl der direkt berichts- und sorgfaltspflichtigen Unternehmen zunehmen. Somit werden indirekt auch mehr Unternehmen in der Schweiz betroffen sein. Es könnte einen Unterschied machen, dass mit dem Omnibus eingeschränkt wird, wie viele Informationen von den KMU in der Wertschöpfungskette verlangt werden können. Zum einen ist das aber nicht neu: Den Value Chain Cap gab es in den ESRS [den Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, Anm. d. Red.] bereits. Zum anderen ist unklar, ob sich die direkt-berichtspflichtigen Unternehmen daranhalten werden. 

 

Inwiefern?

Aktuell beobachten wir, dass viele Grossunternehmen übers Ziel hinausschiessen. Sie fordern viel mehr von ihren Lieferanten, als sinnvoll oder nötig wäre. Mir sind sogar Fälle bekannt, in denen Grossunternehmen die Geschäftsführenden ihrer Zulieferer vertraglich dazu verpflichten wollten, mit dem Privatvermögen für die Richtigkeit der verlangten Daten und Zusicherungen zu haften. Das ist eigentlich nicht rechtens und geht komplett am Kern der CSRD und CSDDD vorbei.

 

Wie schätzen sie die Reduktion der Anzahl ESRS-Datenpunkte ein?  

In der öffentlichen Debatte wird viel von den 1200 Datenpunkten gesprochen. Fakt ist aber, dass kein Unternehmen dieser Welt über alle 1200 Datenpunkte berichten wird. Hier haben die Unternehmen einen grossen Ermessensspielraum, und die meisten berichten über 200 bis 300 Datenpunkte. Wenn Datenpunkte wegfallen werden, über die niemand berichtet hätte, dürfte das kaum einen Unterschied machen. Die Anzahl der Datenpunkte ist ohnehin weniger entscheidend als die Komplexität der Erhebung. Bei vielen Unternehmen scheint der Fokus aktuell auf Klimathemen und Treibhausgasemissionen zu liegen, was komplexe Datenerhebungen erfordert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Datenpunkte zu Klimathemen wegfallen werden. 

 

Wie sehen Sie die politischen Chancen, dass die vorgeschlagenen Änderungen so tatsächlich in Kraft gesetzt werden?

Das ist schwierig einzuschätzen. Grundsätzlich stellen wir fest, dass die politische Grosswetterlage eine andere ist als zu der Zeit, in welcher der EU Green Deal eingeführt wurde [die CSRD ist ein Teil dieser Initiative, Anm. d. Red.]. Dennoch ist nicht garantiert, dass die für den Omnibus notwendigen Mehrheiten zustande kommen. Im Rat dürfte es eine Mehrheit geben. Es bräuchte mindestens einen grossen Mitgliedsstaat, um die Vorlage zu kippen, aber sowohl Deutschland als auch Frankreich scheinen sich dafür einzusetzen, den Umfang der Berichts- und Sorgfaltspflichten zu reduzieren. Im Parlament scheint es ebenfalls eine rechte Mehrheit für den Omnibus zu geben. Allerdings müsste die Europäische Volkspartei mit den extremen Rechten zusammenarbeiten, was einige Abgeordnete der EVP ablehnen.

Meine Prognose: Das Omnibus-Paket wird angenommen, aber wahrscheinlich nicht in der Form, in der es uns aktuell vorliegt. 

 

Welche Folgen erwarten Sie für die laufende Revision des schweizerischen Obligationenrechts?

Mit dem Omnibus-Vorschlag wird hierzulande vielen Kritikern der Wind aus den Segeln genommen. Die Kritiker wollen einen eingeschränkten Geltungsbereich, und genau das möchte nun auch die EU-Kommission. Das könnte die Chancen für einen vollständigen Rechtsnachvollzug durch die Schweiz erhöhen.

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Dr. Niclas Meyer ist Polit-Ökonom und Senior Berater bei der Firma BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG in Basel. Er hat im Auftrag des Bundes gemeinsam mit weiteren Sachverständigen die Folgen verschiedener EU-Regelwerke zur nachhaltigen Unternehmensführung für die Schweiz abgeschätzt. Gemeinsam mit der SQS hat er eine Landkarte mit Anforderungen und Instrumenten der nachhaltigen Unternehmensführung entwickelt (siehe hier).