Mit Systemintegration zur Komplexitätsreduktion
Veröffentlicht am: 02.02.2023
Lesedauer
ca. 7 Minuten
Die Anforderungen von Kundinnen und Kunden, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern werden zahlreicher und vielfältiger. Mit einem Integrierten Managementsystem (IMS) lässt sich die Komplexität, die daraus erwächst, in den Griff kriegen. IMS erlauben es, Zielkonflikte zu erkennen und zu lösen, Redundanzen zu vermeiden und Synergien zu schaffen.
Sind Sie schon von Ihren Marktpartnern nach dem CO2-Fussabdruck Ihrer Produkte oder Ihres Unternehmens gefragt worden? Gibt es Stakeholder, die sich für Ihre Regelungen in Bezug auf die Beachtung der Menschenrechte in Ihrer Lieferkette oder Ihr Nachhaltigkeitsmanagement interessieren? Werden Anforderungen an Sie zur Regelung der Informationssicherheit oder Business Continuity gestellt? Benötigen Ihre Finanzpartner genauere Informationen über Ihre Legal Compliance oder das Risikomanagement?
Grossunternehmen werden mit solchen Fragen schon seit Langem und fortwährend konfrontiert. Nicht zuletzt aufgrund neuer Regeln der Europäischen Union und Deutschlands sind davon aber zunehmend auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus der Schweiz betroffen (vgl. rechts die beiden Beispiele zu Klimaneutralität und Menschenrechten). Mit anderen Worten: Der Umfang der Managementanforderungen, deren Erfüllung Organisationen unabhängig von ihrer Grösse oder regionalen Zugehörigkeit nachweisen müssen, steigt an. Die SQS hat zu dieser Entwicklung jüngst die Blogbeiträge «Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU» und «Der Markt bewegt sich meist schneller als das Recht» publiziert.
Zwei Beispiele
Beispiel 1
Um die gravierenden Auswirkungen des sich verändernden Klimas zu begrenzen und das ambitionierte 1.5°C-Ziel einzuhalten, will die EU mittels des European Green Deal bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Über nationale Klimaschutzgesetze werden Branchen und Unternehmen Ziele für die Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen gesetzt (z.B. in Deutschland über das Klimaschutzgesetz).
Grossunternehmen, z.B. aus dem Chemie-, Stahl- und Automobilbereich, haben darauf schon seit Längerem reagiert und sich zur Erreichung der Klimaneutralität zwischen 2030 und 2050 verpflichtet. Dazu müssen sie ihre Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette kennen und reduzieren, denn der Grossteil der Emissionen entsteht in der Regel durch die vor- und nachgelagerten Prozesse. Diese Grossunternehmen stellen an ihre Lieferanten deshalb konkrete Anforderungen, die Höhe der Emissionen ihrer gelieferten Produkte auszuweisen und die Emissionen zu reduzieren. KMU werden nur dann ihren Marktzugang aufrechterhalten, wenn sie diesen Wandel mitmachen, der aufgrund internationaler Wirtschaftsketten nicht auf einzelne Länder beschränkt bleiben wird.
Es wird also unumgänglich, dass Unternehmen das Thema Klimaschutz in ihre Managementstrukturen integrieren, z.B. als fokussierter Umweltaspekt im Rahmen des Umweltmanagements, durch Erweiterung des Energiemanagements oder durch das Aufsetzen eines Klimaschutzmanagementsystems.
Beispiel 2
Aktuell werden Gesetzesinitiativen vorangetrieben, welche von Unternehmen grössere Anstrengungen für eine «gebotene Sorgfalt» bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte im Lieferantennetzwerk abverlangen. Das gerade in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG) verpflichtet in Deutschland ansässige Unternehmen mit 3000 oder mehr Mitarbeitenden (ab 2024 mit 1000 oder mehr), ihrer Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette nachzukommen, indem sie risikobasierte Massnahmen im Rahmen eines Due-Dilligence-Ansatzes umsetzen.
Auf EU-Ebene ist eine Direktive in Erarbeitung, die noch anspruchsvoller sein und noch mehr Unternehmen betreffen wird, insbesondere wenn sie in Risikobranchen tätig sind, z.B. im Bergbau, der Chemie-, Lebensmittel- und Textilindustrie oder der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei. Um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt innerhalb und ausserhalb Europas zu vermeiden, werden von Unternehmen ein systematisches Risikomanagement mit Risikoanalysen sowie Präventions- und Abhilfemassnahmen, die Bestellung eines Menschenrechtsbeauftragten, eine regelmässige Berichterstattung sowie ein Klimaplan, im Einklang mit dem Pariser Abkommen, verlangt. Diese Anforderungen betreffen nicht nur Grossunternehmen, sondern auch deren oftmals kleine und mittlere Zulieferer. Das Thema Sorgfaltspflicht Lieferkette wird deshalb in vorhandene Managementsysteme zu integrieren sein.
Die Merkmale von IMS
Unternehmen, die diesen Anforderungen genügen wollen, betreiben deshalb nicht mehr nur zwei, drei oder die klassischen «Big 4» der Managementsysteme zu Qualität, Umwelt, Energie und Arbeitsschutz. Sie arbeiten vielmehr mit einem stetig wachsenden Systembündel.
Konnte man eine geringe Anzahl von Managementsystemanforderungen noch separat oder nebeneinander führen, so ist dies mit zunehmender Anforderungskomplexität meist nicht mehr sinnvoll. Denn parallele Systeme führen zu einem hohen, redundanten Dokumentationsaufwand, einer steigenden Gefahr von Widersprüchen in den Regelungen und einer sinkenden Akzeptanz unter den Mitarbeitenden und Beteiligten.
Vor diesem Hintergrund wird der Nutzen Integrierter Managementsysteme (IMS) ersichtlich. Ein IMS erfüllt die Anforderungen mehrerer Managementsysteme auf Basis einer einheitlichen Systematik und mithilfe übergreifender Regelungen. Damit verbunden sind drei Kennzeichen:
- Ein IMS vereint die Anforderungen mehrerer Managementsysteme in einem einzigen System. Dabei kann es standardisierte Managementsysteme z.B. nach ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001 und ISO 50001 gleichermassen zusammenführen wie spezifische Branchenstandards oder niederschwellige Managementansätze.
- Ein IMS folgt einer einheitlichen Systematik, die sich an der Harmonised Structure (HS, früher HLS) und an den zugrundeliegenden Prozessen der Organisation orientieren kann.
- Ein IMS beinhaltet themen- und abteilungsübergreifende Regelungen für Prozesse, Verantwortlichkeiten und die dazugehörige Dokumentation.
Ein IMS ermöglicht und fördert eine ganzheitliche Betrachtung der relevanten Anforderungen, z.B. der Kundenanforderungen, der Umwelt- und Energieeffizienz oder des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Dies ist die Voraussetzung dafür sowohl bestehende Zielkonflikte als auch mögliche Zielsynergien, z.B. zwischen Qualitäts- und Umweltanforderungen zu erkennen und gemeinsam durch Prioritätensetzungen zu regeln. Das IMS fördert dadurch die prozess- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und gewährleistet eine höhere Transparenz der bestehenden Regelungen. Dies vermeidet ineffiziente und motivationshemmende Doppelarbeiten sowie sich widersprechende Regelungen.
Der Nutzen von IMS
Wie wird der Anspruch eines IMS, Synergien zu nutzen, Redundanzen zu vermeiden sowie Zielkonflikte zu erkennen und zu lösen, konkret eingelöst? Die Antwort geben wir anhand des folgenden Beispiels:
Ausgangssituation
Das Beispielunternehmen verfügt seit über 20 Jahren über ein ISO-9001-Qualitätsmanagementsystem. Seit ca. 5 Jahren betreibt es ein Umwelt- und Energiemanagementsystem nach ISO 14001 bzw. ISO 50001. Dann forderte ein neuer Kunde den Nachweis eines zertifizierten Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystems (SGA-MS) bis Ende 2021.
Start und Umsetzung der Integration
Mit Einführung des SGA-MS begann das Unternehmen ein Projekt zur Integration der bestehenden und des neuen Systems. In einem Zeitraum von 1,5 Jahren baute es ein integriertes Qualitäts-, Umwelt-, Energie- und Arbeitsschutzmanagementsystem auf.
Über ein «Mapping» der Anforderungen der vier Systeme wurden Bereiche mit hohem Synergiepotenzial identifiziert (Kontext, Politik, Risiken und Chancen, Compliance, Ziele und Massnahmen, Schulungen, Dokumentation, Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung, Auditierung und Management-Review). Für diese Bereiche schuf das Unternehmen systemübergreifende Prozessregelungen und Nachweisdokumente. Für die sehr spezifischen Anforderungen der verschiedenen Grundsysteme (z.B. Umweltaspekte, Gefährdungsbeurteilung) wurden separate Regelungen etabliert und in das IMS integriert.
Effekte der Integration
Durch das neue IMS wurden der Umfang der Managementdokumentation deutlich reduziert und widersprüchliche Regelungen (z.B. in Bezug auf die Lieferantenbewertung) sowie redundante Regelungen (z.B. Auditierung) aufgedeckt und vermieden. Für Prozesse wurden Effizienzeffekte durch Zeit- und Kosteneinsparungen erzielt. Z.B. wurde die Management-Review nicht mehr systembezogen, sondern systemübergreifend durchgeführt. Der Zeitinput der Obersten Leitung betrug statt 1 Stunde pro Einzelsystem (total 4h) nur noch 2 Stunden für das Gesamtsystem.
Neue Herausforderungen
Aktuell treten die Marktpartner immer häufiger an das Unternehmen mit konkreten Anfragen über den Status der Klimaneutralität heran. In einem nächsten Schritt wird das IMS deshalb um ein Klimamanagement erweitert. Das Unternehmen fühlt sich auf diese Herausforderung gut vorbereitet, denn das IMS ist aufgrund seiner einheitlichen Systematik und übergreifenden Regelungen für das Klimamanagement anschlussfähig.
Titelbild: Cecilie Skjold Wackerhausen/peopleimages.com – stock.adobe.com
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