Umweltanforderungen, SQS-Wissen

Kreislaufwirtschaft, die Basis des EU Green Deal

Ursula Oberhollenzer

Veröffentlicht am: 24.06.2021

Lesedauer

ca. 7 Minuten

Im Dezember 2019 präsentierte die EU ihren Green Deal. Seitdem hat dieser Fahrt aufgenommen, wie gerade auch der neue Aktionsplan zur Förderung der Kreislaufwirtschaft zeigt. Im dessen Kern geht es darum, wie sich die EU-Kommission die zukünftige Wirtschaft vorstellt – ein Überblick.

Bereits im Dezember 2015 wurde ein erstes Massnahmenpaket der Europäischen Kommission zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Die vorgeschlagenen Massnahmen sollten dazu beitragen, den Kreislauf der Produktlebenszyklen durch mehr Recycling und Wiederverwendung zu schliessen, was Vorteile für Umwelt und Wirtschaft mit sich bringt.

Ziel war es schon damals, maximale Wertschöpfung durch Nutzung aller Rohstoffe, Produkte und Abfälle zu erreichen und dabei Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Im Rahmen von «Horizont 2020» wurden 650 Millionen Euro sowie 5,5 Milliarden Euro aus den Strukturfonds zur Finanzierung bereitgestellt. Die großen Themen waren: Reduktion der Lebensmittelverschwendung, Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe, ein Ökodesign-Programm 2015–2017, eine überarbeitete Verordnung über Düngemittel, eine Kunststoffstrategie in der Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeitsziele zu Abfallreduktion sowie Massnahmen zur Wiederverwendung von Wasser.

Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

Im März 2020 wurde der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Er liefert die Basis des europäischen Grünen Deals und enthält Massnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Produkten. Diese sollen länger nutzbar sein sowie leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können. Grundlegendes Ziel ist es, genutzte Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft zu halten.

Der als Teil der EU-Industriestrategie vorgelegte Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft enthält folgende Massnahmen:
 

Kreislaufwirtschaft. Recycling Symbol mit Abfall
  • Nachhaltige Produkte als Norm in der EU 
    Die Kommission wird Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik vorschlagen, damit in der EU in Verkehr gebrachte Produkte über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können und einen grösstmöglichen Anteil recycelter Materialien enthalten. Die Verwendung von Einwegprodukten soll eingeschränkt und die Vernichtung nicht verkaufter langlebiger Güter verboten werden. Hierzu werden die Ökodesign-Richtlinie und die Vorgaben des EU-Umweltzeichen sowie der Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung (GGP) überabeitet. Geplant ist auch ein neuer Arbeitsplan für Ökodesign und Energieverbrauchskennzeichnung 2020–2024.
  • Stärkung der Position der Verbraucher
    Verbraucher sollen Zugang zu zuverlässigen Informationen im Hinblick auf die Reparierbarkeit und Haltbarkeit von Produkten sowie ein echtes «Recht auf Reparatur» haben. Zusätzlich sollen Unternehmen ihre Umweltaussagen anhand von Methoden zur Messung des Umweltfussabdrucks von Produkten und Organisationen belegen müssen, um KonsumentInnen vor Greenwashing zu schützen. Auch für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung (GGP) sollen Mindestkriterien und Zielvorgaben sowie eine obligatorische Berichterstattung zur Überwachung gelten. Der Austausch zwischen Auftraggebern soll mittels der Initiative «Öffentliche Auftraggeber für Klima und Umwelt» gefördert werden.
Littering auf der Wiese
  • Abfallvermeidung
    Der Schwerpunkt wird in der Vermeidung von Abfall liegen beziehungsweise ihn in hochwertige Sekundärressourcen umzuwandeln. Massnahmen zur Minimierung der Ausfuhr von Abfällen aus der EU und zur Bekämpfung illegaler Abfallverbringungen sind ebenfalls berücksichtigt.

Die EU-Kommission wird konkrete Massnahmen in Bereichen mit hohem Kreislaufpotenzial ergreifen, die auch einige der sieben Kernthemen des Green Deal widerspiegeln (wobei einige Punkte natürlich themenübergreifend sind): 

  • Elektronik und IKT (Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Industrie)
    Die Initiative für auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Elektronik wird folgende Punkte beinhalten: Regulierungsmassnahmen für Mobiltelefone, Tablets und Laptops sowie Drucker und Verbrauchsgüter wie Kartuschen; Umsetzung des Rechts auf Reparatur; Einführung einheitlicher Ladegeräte; EU-weites Rücknahmesystem für Mobiltelefone, Tablets und Ladegeräte; Beschränkungen für gefährliche Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten.
  • Batterien und Fahrzeuge (nachhaltige Mobilität)
    Der neue Rechtsrahmen für Batterien soll die Evaluierung der Batterierichtlinie und die Arbeit der Batterieallianz beinhalten. Berücksichtig werden sollen unter anderem auch Sammel- und Recyclingquoten für sämtliche Batterien sowie Nachhaltigkeits- und Transparenzanforderungen. Vorschriften für Altfahrzeuge sowie obligatorische Rezyklatanteile und Verbesserung der Recyclingeffizienz sollen überarbeitet werden. Ferner wird an einer umfassenden Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität gearbeitet. 2021 ist das Europäischen Jahr der Schiene, denn der Zugverkehr soll umfassend ausgebaut werden.
  • Verpackungen (Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Industrie)
    Eine Verschärfung der Verpackungsanforderungen ist geplant, die zur Verringerung von Verpackungen und Verpackungsabfällen sowie zu Designs für bessere Wiederverwendung bzw. Recyclingfähigkeit und zu weniger komplexen Verpackungen führen soll. EU-weite Kennzeichnungen sollen die korrekte Trennung von Verpackungsabfällen erleichtern und sicheres Recycling garantieren. Trinkwasseranlagen im öffentlichen Raum sollen die Abhängigkeit von abgefülltem Wasser reduzieren und so auch Verpackungsabfall vermeiden.
  • Kunststoffe (Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Industrie)
    Die EU-Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft wird unter anderem verbindliche Anforderungen bei Rezyklatanteilen sowie Massnahmen zur Abfallreduzierung bei Verpackungen, Baustoffen und Fahrzeugen vorschlagen. Beschränkungen von Mikroplastik sowie Kennzeichnung, Standardisierungs-, Zertifizierungs- und Regulierungsmassnahmen hinsichtlich Mikroplastik und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang damit sollen vorangetrieben werden. Zusätzlich soll sich die Politik mit der Beschaffung und Verwendung biobasierter Kunststoffe sowie der Verwendung biologisch abbaubarer oder kompostierbarer Kunststoffe befassen. Weiters ist auch eine neue Richtlinie zu Einwegkunststoffartikeln umzusetzen.
  • Lebensmittel (vom Hof auf den Tisch)
    Die Lebensmittelwertschöpfungskette ist für erhebliche Ressourcen- und Umweltbelastungen verantwortlich, wobei rund 20 % der Erzeugnisse verschwendet werden. In der «Vom Hof auf den Tisch»-Strategie ist der Abbau der Lebensmittelverschwendung eine Schlüsselmassnahme.
Bio-Gemüse und recyclebares Besteck
  • Textilien (nachhaltige Industrie)
    Die Erzeugung von Textilien verbraucht viele Rohstoffe und viel Wasser, auch die Treibhausgasemissionen sind erheblich. Aktuell wird laut Schätzungen jedoch nur 1 % der Textilien recycelt. Eine neue EU-Strategie für Textilien soll Ökodesign in den Vordergrund rücken und nachhaltige Textilien, die wiederverwendbar oder reparabel sind, bevorzugen. Kreislauffähige Materialien sowie Produktionsprozesse sollen ebenso gefördert werden wie Wiederverwendung und industrielles Recycling. 
  • Bauwesen und Gebäude (nachhaltige Industrie, Gebäude & Renovierung)
    Das Baugewerbe ist für etwa 50 % der Rohstoffgewinnung und über 35 % des Abfallaufkommens der EU verantwortlich. Die zugehörigen Treibhausgasemissionen belaufen sich auf rund 5–12 %, wovon über Materialeffizienz 80 % eingespart werden könnten. Eine neue umfassende Strategie für eine nachhaltige Umwelt wird unter anderem folgende Bereiche umfassen: Bauprodukteverordnung, digitale Gebäude-Logbücher, Einbeziehung von Lebenszyklusanalysen in die öffentliche Auftragsvergabe, EU-Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen, EU-Rechtsvorschriften für die stoffliche Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen sowie die Verringerung der Bodenversiegelung.
Berge im Sonnenuntergang mit Windräder

Insgesamt ist eine verbesserte Abfallpolitik zur Förderung der Abfallvermeidung und des Kreislaufprinzips ein entscheidender Faktor, der in der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt werden muss. Dies kann nur durch Austausch auf hoher Ebene zu Kreislaufwirtschaft und Abfall und durch die Zusammenarbeit unter Mitgliedsstaaten, Regionen und Städten realisiert werden. Ferner benötigt es einen gut funktionierenden Markt für Sekundärrohstoffe. Auch Initiativen im Zusammenhang mit Städten und Gemeinden werden notwendig sein. Die Europäische Plattform der Interessensträger für die Kreislaufwirtschaft wird als zentraler Ort für Informationsaustausch dienen.

Kreislaufwirtschaft könnte aktuellen Studien zufolge das BIP der EU bis 2030 um zusätzlich 0,5 % steigern und rund 700 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Weitere positive Effekte können eine Rentabilitätssteigerung von Unternehmen und der Schutz vor Schwankungen bei Rohstoffpreisen sein. Der Umstieg auf Kreislaufwirtschaft ist ferner eng mit dem Ziel der Klimaneutralität verknüpft und hat das Potential, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln – womit unsere Wirtschaft enkeltauglich wird und wir gleichzeitig auch die Umsetzung der SDGs (UN Sustainable Development Goals) vorantreiben. Eine win-win-win-Situation für Alle!

Ursula Oberhollenzer

Ursula Oberhollenzer ist Netzwerkpartnerin der Quality Austria (Auditorin, Trainerin, Assessorin), Mitglied des Management Boards von ECCOStandards & more, das gemeinsam mit dem CSR Dialogforum eccos22 entwickelt hat und dort für den Verkauf und die Kommunikation zuständig.

Die Ausbildung zur EFQM Excellence Assessorin hat sie 2019 abgeschlossen, jene für eccos22 bereits 2017. Zusätzlich ist sie als Beraterin für Nachhaltigkeit und Kommunikation selbständig tätig, hat 2015 ihren Master in CSR und ethischem Management absolviert und ist auch freiberufliche Autorin unter anderem beim Business Art Magazin. Ehrenamtlich hat sie seit Juni 2019 als Vizepräsidentin im ÖGV (Österreichischer Gewerbeverein) die Themenführerschaft für Nachhaltigkeit inne.

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