Umweltanforderungen, SQS-Wissen

«Ich fühle mich alles andere als mächtig»: Einblicke in die Überarbeitung der ISO 14001:2015

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Alex Gertschen

Veröffentlicht am: 06.08.2024

Lesedauer

ca. 3 Minuten

Die für die Überarbeitung der ISO 14001:2015 zuständige Arbeitsgruppe hat sich im Juli bei der SQS in Zollikofen getroffen. Der im Herbst 2023 begonnene Revisionsprozess dürfte Ende 2025 abgeschlossen werden. Die US-Amerikanerin Susan Briggs und der Pole Robert Pochyluk leiten die Gruppe. Im Interview sprechen sie über Herausforderungen und die erwarteten Resultate. 

Die ISO 14001:2015 ist die wichtigste Norm für Umweltmanagement. Weit über eine halbe Million Standorte sind weltweit nach ihr zertifiziert. Die Anzahl Organisationen, die sie ohne eine Zertifizierung anwenden, beträgt ein Vielfaches. 

Seit Herbst 2023 wird die Norm überarbeitet. Dafür zuständig ist die Arbeitsgruppe ISO/TC207/SC1/WG15 (vgl. zu dieser Abkürzung den Text anbei). Im Juli führte sie ein einwöchiges hybrides Arbeitstreffen an der SQS-Geschäftsstelle in Zollikofen durch. Die Co-Leitenden der Arbeitsgruppe, die US-Amerikanerin Susan Briggs und der Pole Robert Pochyluk, gewährten der SQS in einem Interview Ein- und Ausblicke zum Revisionsprozess. 

Folgend einige der Hauptaussagen aus dem Interview. 

 

Die Änderungen, die es (nicht) geben wird 

Robert Pochyluk betont, dass der Auftrag der Arbeitsgruppe in der sogenannten Design Specification festgehalten ist. Angestrebt werde keine umfassende Revision, sondern primär eine Präzisierung und Aktualisierung bestehender Anforderungen und Konzepte. Eine Aussage Susan Briggs’ deutet darauf hin, dass zum Beispiel die doppelte Wesentlichkeit – also die Feststellung wechselseitiger Einwirkungen zwischen der Organisation sowie deren sozialer und ökologischer Umwelt – stärker betont werden dürfte. Zudem, so Briggs, solle die überarbeitete Norm besser aufzeigen, wie die Anwenderinnen und Anwender sie für die nichtfinanzielle Berichterstattung nutzen können. 

 

Die Vor- und Nachteile, die Partizipation mit sich bringt 

Die ISO entwickelt und überarbeitet ihre Normen in einer partizipativen Art und Weise. Grundsätzlich können alle interessierten Parteien mitwirken. An der Revision der ISO 14001:2015 wirken knapp 60 Expertinnen und Experten von allen Kontinenten und aus unterschiedlichen beruflichen Gebieten mit. Briggs und Pochyluk empfinden diese Vielfalt als wichtig und bereichernd. Zugleich erschwere sie die Kommunikation und Koordination. Laut Briggs, die die letzte Revision von 2015 massgeblich prägte, ist diese Herausforderung bei hybriden Treffen umso grösser. Vor der Pandemie, als alle Treffen vor Ort stattgefunden hätten, habe man offene Fragen auch mal informell in der Pause an der Kaffeemaschine klären könne.  

 

Die Macht, die Normenentwickler (nicht) ausüben 

Wer vor Ort mitwirkt, hat mehr Einflussmöglichkeiten. In Zollikofen zeigte sich: Die traditionellen Industrieländer in Europa und Nordamerika sind bei der Überarbeitung der ISO 14001 nach wie vor tonangebend. Dafür stehen auch die beiden Co-Leitenden der Arbeitsgruppe. Haben sie das Gefühl, Macht auszuüben? «Ich fühle mich alles andere als mächtig. Wenn ich beschreiben müsste, wie ich mich während der Sitzungen fühle, käme mir nie, nie dieser Begriff in den Sinn», sagt Pochyluk mit einem Schmunzeln. Briggs und er erklären, dass sich viele Diskussionen um Begrifflichkeiten drehten. Wie ist ein Wort, wie ist ein ganzes Konzept zu verstehen? Und wie wichtig sind begriffliche Nuancen auf Englisch für die Übersetzung in andere Sprachen? An dieser Stelle des Gesprächs deutet sich an: Normierungsprozesse in einer vielfältigen Welt sind Kärrnerarbeit und können nicht ganz spannungsfrei ablaufen. 

 

Der Terminplan wird wahrscheinlich eingehalten 

Der Prozess verläuft laut Briggs und Pochyluk wie geplant und sollte im Oktober 2025 abgeschlossen werden können. Zwei zusätzliche Monate dürften aber nötig werden, sollten die Änderungen nicht – wie bisher vorgesehen – nur in einem separaten Dokument publiziert werden. Laut Briggs hat sich die Arbeitsgruppe in Zollikofen aus Gründen der Nutzungsfreundlichkeit dafür ausgesprochen, die Änderungen in einem konsolidierten Dokument zu publizieren, das die gesamte Norm enthält.

Knapp 60 Expertinnen und Experten aus aller Welt 

Für die Tausenden von Themen und Normen, die die Internationale Organisation für Normung (ISO) führt, trägt jeweils ein Technisches Komitee (TC) die Verantwortung. Im Fall des Umweltmanagements ist dies das TC207. Für einzelne Normen sowie deren Revision ist jeweils ein Subkomitee (SC1) zuständig. Bei der ISO 14001:2015 für Umweltmanagementsysteme ist dies das SC1. Und dieses hat letztes Jahr beschlossen, dass diese Norm weiterentwickelt werden soll – und dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt: die Working Group 15.  

Die Arbeitsgruppe ISO/TC207/SC1/WG15 setzt sich aus knapp 60 Expertinnen und Experten von allen Kontinenten zusammen. Die ISO bezahlt diesen weder die Arbeitszeit noch die Spesen. Sie wirken auf eigene Kosten bzw. jenen ihres Arbeitgebers mit. Geleitet wird die Arbeitsgruppe von Susan Briggs und Robert Pochyluk. Die US-Amerikanerin Briggs ist international bekannt für ihre Arbeit in der Entwicklung und Implementierung von Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsmanagementsystemen in Produktions-, Forschungs- und Regierungsorganisationen. Darüber hinaus ist sie seit rund 20 Jahren an der Ausarbeitung von ISO-Normen beteiligt. Der Pole Pochyluk ist Direktor des Beratungsunternehmens eko-net.pl, das in den Bereichen Umwelt- und Energiemanagement sowie Arbeitssicherheit tätig ist. 

Die Schweiz wird in der Arbeitsgruppe – und allen anderen ISO-Gremien – durch die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) vertreten. An der Revision der ISO 14001:2015 wirkt sie durch René Wasmer mit. Der ehemalige stellvertretende CEO der SQS leitet bei der SNV das Normenkomitee 174 zu Umwelt und Nachhaltigkeit, das nationale Pendant zum TC207. Im Herbst 2023 führten wir mit Wasmer ein Interview über die Hintergründe der Revision. 

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