Management, SQS-Wissen

Die Akkreditierung: die Spreu vom Weizen trennen

alex.gertschen@sqs.ch

Alex Gertschen

Veröffentlicht am: 28.11.2024

Lesedauer

ca. 2 Minuten

Nicht jedes ISO-Zertifikat hat denselben Wert. Seine Glaubwürdigkeit und Anerkennung im Markt hängen davon ab, wer es ausgestellt hat. Grundsätzlich darf eine beliebige Stelle ISO-Managementsysteme zertifizieren. Aber nur von der Akkreditierung anerkannte Stellen wie die SQS dürfen akkreditierte Zertifikate ausstellen. Solche Zertifikate bieten Gewähr, dass eine Organisation die Anforderungen der Norm erfüllt und dafür weltweit Anerkennung geniesst. 

Die Zertifizierung bedeutet die Prüfung und Auszeichnung von Norm- und Standardanwendern. Das sind Unternehmen, Verbände und andere Organisationen. Die Akkreditierung bedeutet die Prüfung und Zulassung der Prüfer. Das sind Konformitätsbewertungsstellen (KBS) wie die SQS. Dieser doppelte Prüfungsmechanismus ermöglicht akkreditierte Zertifikate, also durch akkreditierte KBS ausgestellte Zertifikate. Er ist entscheidend dafür, dass sich internationale Normen wie jene der ISO in den letzten vier Jahrzehnten in fast allen Ländern und Branchen etabliert haben. Denn er verleiht dem Normensystem Robustheit und Glaubwürdigkeit. 

Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern der Unterschied zwischen gewöhnlichen und akkreditierten Zertifikaten nicht bewusst ist. Mit diesem Blogbeitrag möchten wir Abhilfe schaffen. 

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Selbst- und staatlich unterstützte Regulierung  

In einem anderen Blogbeitrag zeigen wir auf, dass sich die SQS und andere KBS in den 1990er-Jahren im International Certification Network (IQNET) zusammengeschlossen haben. Damals wuchs die Nachfrage nach der Zertifizierung gemäss den neu entwickelten Managementsystemnormen rasant und weltweit. Das Ziel von IQNET war und ist es, mittels Selbstregulierung eine hohe Qualität und breite Anerkennung dieser Zertifikate zu sichern. Zum selben Zweck wurde parallel dazu ein staatlich gestütztes internationales Regulierungssystem aufgebaut – die Akkreditierung. Wie funktioniert die Akkreditierung? Warum ist das Zertifikat einer akkreditierten Stelle wie der SQS mehr wert als ein gewöhnliches? Diese Fragen werden in diesem Blogartikel beantwortet. 

IAF Logo
European Accreditation Logo

Pro Land gibt es in der Regel eine anerkannte Akkreditierungsstelle. In der Schweiz nimmt die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS), die dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO angegliedert ist, diese Funktion der «Prüferin der Prüfer» wahr. Sie ist Unterzeichnerin der Abkommen des Europäischen Akkreditierungssystems (EA) und des Internationalen Akkreditierungsforums (IAF) und damit Mitglied des europäischen wie auch des globalen Akkreditierungssystems. 

Die Akkreditierung wird weltweit auf der Grundlage der Norm ISO/IEC 17011 durchgeführt. Sie bietet dadurch Gewähr für die Kompetenz und Unparteilichkeit einer KBS. In der Schweiz erneuert die SAS die Zulassung alle fünf Jahre. Zudem prüft sie eine KBS während der Gültigkeit der Akkreditierung mittels jährlicher Audits. Die rechtliche Grundlage hierfür ist die Verordnung über das schweizerische Akkreditierungssystem und die Bezeichnung von Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde und Zulassungsstellen. 

 

Hohe Anforderungen an akkreditierte Konformitätsbewertungsstellen

Die Anforderungen sind hoch: Die SQS hat in den vergangenen Jahren grosse Anstrengungen im Bereich der Strukturen, Instrumente und internen Kontrollen unternommen, um sie zu erfüllen. Wichtig ist zudem, mittels gezielter Rekrutierung sowie kontinuierlicher Aus- und Weiterbildung die Praxiserfahrung und Kompetenz der Auditierenden sicherzustellen. Nur so können sie mit unseren Kunden einen Dialog auf Augenhöhe führen. Das ist gerade im Kontext einer immer ausdifferenzierteren und spezialisierteren Wirtschaft notwendig und herausfordernd zugleich. 

Allerdings deckt die Akkreditierung nur einen relativ kleinen Teil aller Normen und Standards ab. Der Bereich, in dem Organisationen durch nicht akkreditierte KBS oder überhaupt nicht geprüft werden, ist wesentlich grösser. Welche Normen in den akkreditierten Bereich aufgenommen werden, entscheiden das IAF und die EA. In der Regel erfolgt ein entsprechender Antrag durch Verbände und andere Akteure der Wirtschaft. Die SAS entscheidet dann aufgrund ihrer Strategie sowie der hiesigen Bedürfnisse, ob für die Prüfung einer bestimmten Norm in der Schweiz KBS tatsächlich akkreditiert werden. 

Auch die ISO-Normen fallen nicht zwingend in den akkreditierten Bereich. Ein ISO-9001-Zertifikat zum Beispiel darf von einer beliebigen Stelle ausgestellt werden. Für die Güte und Wirksamkeit eines Zertifikats ist deshalb massgeblich, durch wen es ausgestellt wurde. Die SQS ist auch deshalb die führende KBS in der Schweiz, weil sie für die Zertifizierung von über 40 Normen und Standards akkreditiert ist. 

 

Die Akkreditierung in der Schweiz +
Akkreditierungstyp  Beschreibung
Kalibrierlaboratorien für Messgrössen (zum Beispiel in den Bereichen Elektrizität, Faseroptik, Druck, Temperatur, magnetische und elektrische Felder, Durchfluss). – 
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17025:2017
Solche Laboratorien führen Kalibrierprüfungen der physikalischen Grössen von Messgeräten auf der Grundlage spezifischer Methoden durch. Dabei berücksichtigen sie die Rückverfolgbarkeit auf das internationale Einheitensystem, was eben der Kalibrierung von Messgeräten für Widerstand, Spannung, Volumenstrom, Induktivität usw. entspricht.
Prüflaboratorien für Lebensmittel, Tierfutter, Pflanzenschutzmittel, kosmetische Produkte, elektrische Geräte u. a. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17025:2017
Solche Laboratorien führen mit anerkannten und akkreditierten Methoden Tests an Produktproben durch, um deren Sicherheit und Gesetzeskonformität fest- bzw. sicherzustellen.
Referenzmaterialhersteller, d. h. Hersteller von chemischen, mikrobiologischen und anderen Referenzmaterialien für Laboratorien und Produzenten. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO 17034:2016
Laboratorien und Hersteller von Produkten sind auf Referenzmaterialien angewiesen, um zuverlässige Prüfungen durchzuführen. Akkreditierte Referenzmaterialhersteller stellen die Zuverlässigkeit der Kenndaten von Referenzmaterialien sowie deren Rückverfolgbarkeit auf internationale Einheiten sicher.
Ringversuchsanbieter für die Lebensmittelchemie, Lebensmittelmikrobiologie, Immunologie, klinische Toxikologie u. a. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17043:2010
Für Laboratorien und Inspektionsstellen ist es wichtig, dass ihre Messungen mit anderen vergleichbar sind. Akkreditierte Ringversuchsanbieter stellen Proben mit gesicherten Kenndaten zur Verfügung und werten die Resultate aus, die Dritte mit diesen Proben erzielen.
Inspektionsstellen für die Landwirtschaft, Tierhaltung, Lebensmittel, Futtermittel, Seilbahnen, Eisenbahnen, Stromproduktion und viele andere Bereiche. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17020:2012
Akkreditierte Inspektionsstellen prüfen Lebensmittel, Futtermittel, Medikamente oder technische Anlagen auf Sicherheitsmängel. Dabei orientieren sie sich in der Regel an gesetzlichen Anforderungen oder an solchen in spezifischen Normen. Inspektionsstellen können extern und intern sein, d. h. Teil der zu überprüfenden Organisation sein.
Medizinische Laboratorien für molekulare Diagnostik, Chromosomen- und Genom-Diagnostik sowie Analysen in anderen Bereichen. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO 15189:2012
Diese Laboratorien führen medizinische Analysen zu unterschiedlichen Themen durch.
Zertifizierungsstellen für Produkte zum Beispiel aus den Bereichen Lebensmittel, Papier, Holz, Baumaterialien. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17065:2012
Konsumentinnen und Konsumenten sowie die verarbeitende Industrie sind darauf angewiesen, dass Produkte festgelegten Anforderungen entsprechen. Akkreditierte Produktzertifizierungsstellen prüfen und bescheinigen dies mittels Zertifikaten, zum Beispiel dem International Featured Standard (IFS Food), BRCGS (Verpackungsmaterialien) oder PEFC (Chain of Custody of Forest Based Products).
Zertifizierungsstellen für Personal bzw. berufliche Fachkompetenzen, zum Beispiel für Schweiss-, Löt- und Montagepersonal, Fachpersonen im Brandschutz oder Gerichtsexperten. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17024:2012
Viele personale Kompetenznachweise werden durch Branchenverbände ausgestellt. Für andere Bereiche und Berufs- bzw. Kompetenzprofile – die in der Regel hochspezialisiert sind – übernehmen akkreditierte Zertifizierungsstellen diese Aufgabe.
Zertifizierungsstellen für Managementsysteme zum Beispiel in den Bereichen der Qualität, Umwelt, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, Energie und Informationstechnologie. –
Konformitätsbewertungsnorm: ISO/IEC 17021-1:2015
Akkreditierte Zertifizierungsstellen für Managementsysteme stellen Zertifikate aus, die bestätigen, dass die begutachteten Managementsysteme normkonform und wirksam sind. Dadurch erhalten die Anspruchsgruppen der zertifizierten Organisation die Gewissheit, dass Letztere über Strukturen und Arbeitsabläufe verfügt, die eine termingerechte Leistung in der vereinbarten Qualität sicherstellen.

Räderwerke der Normalität

Dieser Text beruht auf einem Beitrag aus dem Buch «Räderwerke der Normalität. Wie Normen und Standards Vertrauen schaffen», das die SQS 2023 im Verlag NZZ Libro herausgegeben hat. Anhand von Grundlagenartikeln und Fallbeispielen zeigt das Buch auf, wie Normen und Standards es Unternehmen erlauben, hohe Erwartungen zuverlässig zu erfüllen – und so zu einer Normalität beitragen, die alles andere als normal ist. Das Buch ist auf Deutsch sowie – als E-Book – auf Englisch, Französisch und Italienisch erschienen. 

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